Während der Einfluss von Drogen auf die Kreativität im Sinne von Schöpferkraft, geistiger Produktivität – in unserem Zusammenhang also auf die Arbeit des Komponisten – sehr umstritten ist, erfolgt ohne Zweifel in bestimmten Phasen der Drogenwirkung eine Anregung der Phantasie, eine Induktion von Träumen (Opiumträume) oder eines Traumzustandes, eine Öffnung zum Phantastischen und Mystischen bis hin zu Halluzinationen. Dadurch haben Drogen auch einen Einfluss auf die Entwicklung zahlreicher Kunstwerke gehabt, wenngleich sie natürlich nur anregen können, was potenziell schon vorhanden ist.
Gleich einführend soll erwähnt werden, dass erstaunlich wenig Komponisten drogenabhängig waren, wenn man vom extensiven Alkoholgenuss absieht. So ist bekannt, dass Modest Petrowitsch Mussorgski und Wilhelm Friedemann Bach Alkoholiker waren und dass auch Ludwig van Beethoven, Peter Iljitsch Tschaikowsky, Franz Liszt und Max Reger keine Alkoholverächter waren.
In der „Kreisleriana“ (Kap. 5.: Höchst zerstreute Gedanken) geht der romantische Dichter, Maler und Komponist E.T.A. Hoffmann (1776 – 1822) auf den Einfluss starker Getränke auf das künstlerische Schaffen ein und schreibt, dass eben in der glücklichen Stimmung, ich möchte sagen, in der günstigen Konstellation, wenn der Geist aus dem Brüten in das Schaffen übergeht, das geistige Getränk den regeren Umschwung der Ideen befördert.
Wenig später im Text gibt Hoffmann dann sogar noch differenziertere Empfehlungen: So würde ich zum Beispiel bei der Kirchenmusik alte Rhein- und Franzweine, bei der ernsten Oper sehr feinen Burgunder, bei der komischen Oper Champagner, bei Kanzonetten italienische feurige Weine, bei einer höchst romantischen Komposition, wie die des „Don Juan“ ist, aber ein mäßiges Glas von ebendem von Salamander und Erdgeist erzeugten Getränk anraten!
Zum Schluss des Abschnittes kommt dann allerdings eine Warnung: Doch überlasse ich jedem seine individuelle Meinung und finde nur nötig für mich selbst im stillen zu bemerken, daß der Geist, der, von Licht und unterirdischem Feuer geboren, so keck den Menschen beherrscht, gar gefährlich ist und man seiner Freundlichkeit nicht trauen darf, da er schnell die Miene ändert und statt des wohltuenden, behaglichen Freundes zum furchtbaren Tyrannen wird. Hier finden Hoffmanns eigene Drogenerfahrungen Ausdruck!
Relativ selten sind Beschreibungen von akustischen Eindrücken oder musikalischen Empfindungen unter Drogeneinfluss. Der deutsche Pharmakologe Louis Lewin (1850 – 1929), der mit seinem Buch „Phantastica. Über die berauschenden, betäubenden und erregenden Genußmittel“ 1924 das erste Buch über Psychopharmakologie verfasst hat, beschreibt eigene akustische Empfindungen nach Einnahme des mexikanischen Rauschkaktus Peyotl (Lophophora williamsii, hier noch bezeichnet als Anhalonium Lewinii), der Meskalin enthält: Mit dem phantastischen innerlichen Sehen können Gehörshalluzinationen verbunden sein. Sie sind seltener als die ersteren.
Klingen oder Töne kommen wie aus weiter Ferne oder werden voll als Gesang mehrerer Menschen oder konzertmäßig gehört und bisweilen als wunderbar süß und melodiös bezeichnet. Und an anderer Stelle: Aber eines war mir unumstößlich klar: Im Rhythmus musste sich alles lösen, im Rhythmus lag das letzte Wesen aller Dinge, ihm war alles untergeordnet, der Rhythmus war für mich metaphysisches Ausdrucksmittel. Und wieder kamen die Bilder, wieder die beiden Systeme, diesmal hörte ich aber zugleich mit ihrem Auftreten Musik. Von unendlicher Ferne kamen die Töne, sphärischer Klang, langsam schwingend, gleichmäßig hoch und tief, und mit ihr bewegte sich alles. Eine Vorwegnahme der Beschreibung psychedelischer Musik!
In seinem Essay „Die Dichtung vom Haschisch“ weist Charles Baudelaire (1821 – 1867) auf der Basis eigener Erfahrungen auf synästhetische Empfindungen nach Haschischeinnahme hin, eine erhöhte Schärfe in allen Sinnen. Geruch, Gesicht, Gehör, Gefühl haben in gleicher Weise teil an dieser Steigerung. … Das Ohr hört fast unvernehmbare Töne inmitten des größten Tumults. … Die Töne kleiden sich in Farben, und die Farben enthalten eine Musik.
Einige Komponisten haben durch die Anwendung entsprechender Arzneimittel Drogenwirkungen kennen gelernt; auf ihre Kompositionen dürfte sich das kaum ausgewirkt haben. So ist der Komponist Frédéric Chopin (1810 – 1849) nach seiner Tuberkulose-Erkrankung möglicherweise an einer Morphinabhängigkeit gestorben. Belegt ist, dass er zumindest ab 1839 Opiumtropfen zur Bekämpfung seiner Schmerzen einnahm. Richard Strauss (1864 – 1949) soll 1928 in Zusammenhang mit einer Nasenscheidewand-Operation Cocain erhalten haben, das ihn ganz munter gemacht und zu zwei Arien („Aber der Richtige, wenn’s einen für mich gibt“ und „Und du wirst mein Gebieter sein“) für seine Oper „Arabella“ angeregt haben soll.