Zwar hatte die Cocainwelle der 20er-Jahre in den Metropolen bereits größere Gruppen erfasst, aber erst Mitte des Jahrhunderts wurde die Drogeneinnahme zu einem Massenphänomen. Nach dem 2. Weltkrieg sind die sich zunächst in den USA ausbildenden Jugendkulturen mit einem intensiven Drogenkonsum verbunden. Die Drogeneinnahme wurde zum Gruppenzwang und unterlag einer Massenpsychose.
Diese Entwicklung hat eine Vorgeschichte, die mit der Musikkultur der USA verbunden ist. Die wichtigste bewusstseinerweiternde Droge war zunächst Haschisch, abwertend mit der Latino-Bezeichnung Marijuana bezeichnet. Viele Jazzmusiker der 20er- und 30er-Jahre wie Louis Armstrong, Charlie Parker, Gary Mulligan, Anita O’Day und Billie Holiday nahmen Marijuana. Ein bekannter Titel der Reefer-Songs (reefer = Cannabiszigarette) ist „Muggles“ von Louis Armstrong, wobei Muggles eine Slang-Bezeichnung für Marijuana war.
Daneben spielten seit Ende des 19. Jahrhunderts auch Cocain und Heroin eine begrenzte Rolle. 1964 kamen Meskalin, LSD und andere Halluzinogene in Mode, nach deren Verbot Amphetamine. Charlie Parker war stark cocain- und heroinsüchtig und starb bereits mit 35 Jahren. Die ersten drei Töne von „Parker’s Mood“ wurden zum Erkennungszeichen für die Heroin-Dealer [11]. Charlie Parker äußerte zu seiner Drogen-Abhängigkeit: Sie können es aus deinem Blut herausholen, aber sie kriegen es nie aus deinem Kopf (aus [11]). In den 40er- und 50er-Jahren war unter den Jazzmusikern vor allem Heroin gefragt. Ray Charles (1930 – 2004) nahm 17 Jahre lang jeden Tag Heroin, hörte aber nach einer Verhaftung abrupt auf. Billie Holiday war schwer heroinsüchtig.
Die amerikanische Subkultur wurde nach dem 2. Weltkrieg von zwei ,Jugendbewegungen‘ geprägt, die mit intensivem Drogenkonsum verbunden waren und die bewusst oder unbewusst von Literaten beeinflusst wurden: Die Beat-Generation mit den Beatniks der 50er-Jahre und die Hippies mit der psychedelischen Bewegung in den 60er-Jahren. Der Jazz entsprach nicht mehr dem Zeitgefühl; die Jugend wollte tanzen, der Rock ’n‘ Roll entstand aus Elementen des schwarzen Blues und der weißen Countrymusic. Triebkräfte für die nötige Geschwindigkeit waren Amphetamine und die Halluzinogene.
Einige Richtungen der Popmusik sind durch einen mehr oder weniger spezifischen Drogengebrauch charakterisiert, so der Rock ’n‘ Roll durch Amphetamine, der Acid oder Psychedelic Rock durch LSD (s. u.), der Reggae durch Haschisch (Ganja) und die Rave-Kultur mit dem Techno durch Ecstasy. Angeregt durch die Heroin- und Cocain-User wurden ab Mitte der 60er-Jahre die Amphetamine (Methedrin, Methamphetamin) intravenös injiziert: Speed wurde Mode. Zu den Speed-Freaks gehörten die Gruppen The Velvet Underground oder Motörhead, die eine überlaute und schnelle Heavy-Metal-Music spielten.
Die Beat-Generation wandte sich gegen das Establishment, gegen die in den USA vorherrschende puritanische Geisteshaltung und war eine reine Gegenkultur, die auch gegen den damaligen McCarthyismus protestierte. Die Lebensphilosophie der Beatniks in den USA war durch einen Anspruch auf eine gesteigerte Lebensintensität gekennzeichnet. Jazz – Koks – Marihuana – Lyrik – Gedanken – Orgasmus – Gott, das waren die Leitlinien der Beatniks (Seymour Krim in [12]). Der Begriff Beat leitet sich von ‚Geschlagen sein‘, ‚Leiden‘ ab, soll aber auch an ‚Beatific – glückselig‘, im erweiterten Sinne ‚erlöst‘ erinnern [13, 14], die Endsilbe -nik soll auf den Sputnik hinweisen, den 1957 gestarteten sowjetischen Erdsatelliten und damit etwas kommunistische Revolte in der Zeit des Kalten Krieges andeuten.
Die herausragenden Vertreter der Beat-Generation waren die Schriftsteller William S. Burroughs (1914 – 1981) und Jack Kerouac (1922-69) sowie der Lyriker Allen Ginsberg (1926 – 1997) – alle stark drogenabhängig. Das geistige Leben der Beat-Generation wurde ferner von Neal Cassady (1926 – 1968) und dem Verleger Lawrence Ferlinghetti (geb. 1919) mit geprägt. Burroughs „Naked Lunch“ (1953), Ginsbergs „Howl and Other Poems“ (1956) und Kerouacs „On the Road“ (1957) prägten eine Generation amerikanischer Jugendlicher und begründeten eine vor allem städtische Subkultur, die weltweit ausstrahlte. Ginsberg war stark von der Mystik William Blakes und der des fernen Osten beeinflusst und hörte Wagners Götterdämmerung unter dem Einfluss Psilocybin-haltiger Pilze.
Die Hippiebewegung erfasste vor allem junge Menschen zwischen 14 und 26 Jahren. Die Bezeichnung Hippie soll auf Hipi oder Hip für Jemanden, der seine Augen geöffnet hat [11] im Slang der Schwarzen zurückgehen. Ihre spirituellen Erfahrungen suchten die Hippies mit Hilfe fernöstlicher Lehren, durch Drogen und freie Sexualität zu erlangen. Ideologische Vorläufer und Protagonisten dieser irrational orientierten Jugendbewegungen waren Hermann Hesse, Timothy Leary, Jerry Rubin, Gerry Snyder, Alan Watts und Marshall McLuhan („The medium is the message“).
Jerry Rubin (1938 – 1994), ein Vertreter der politisch orientierten und manchmal auch militanten Hippies, der bärtigen ‚Yippies‘, äußerte sich zu den Zielen der Bewegung: The goal of the revolution is to eliminate all intellectuals, create a society in which there is no distinction between intellectual and physical work: a society without intellectuals. Our task is to destroy the university and make the entire nation a school with on the job living.
Guru der Hippies war der Psychologe Timothy Leary (1920 – 1996), der LSD populär machte, nachdem er von 1960 bis 1966 ganz offiziell im Rahmen eines von der Regierung finanzierten Forschungsauftrages zur Untersuchung des Einflusses von Drogen auf das menschliche Verhalten Versuche mit LSD durchgeführt hatte. Er sagte: Nennen Sie mir nur eine Rockgruppe, die keine Hymnen auf LSD und Marihuana in ihrem Repertoire hat (aus [11]).
Romane von Hermann Hesse (1877 – 1962), die zuvor in den USA kaum gelesen worden waren, wurden Bestseller [35]. Der Ich-Erzähler Harry Haller in Hesses Steppenwolf, ein völlig vereinsamter und unter Zivilisationsekel leidender Schriftsteller, mit Beziehungen zur Musik, zu Goethe, zu Novalis oder Baudelaire [15], wurde, nachdem er den Entschluss gefasst hat, seinem Leben zum fünfzigsten Geburtstag ein Ende zu machen, ein wenig unbesorgter im Gebrauch von Opium und Wein, ein wenig neugieriger auf die Grenzen des Ertragbaren [15]. Die Drogen beschafft ihm übrigens ein Jazzmusiker.
Modedrogen wurden vor allem die so genannten bewusstseinerweiternden Drogen wie Cannabis-Präparate, LSD, Meskalin bzw. der Kaktus Peyotl und Psilocybin bzw. psychoaktive Pilze („Pilzli“). Für sie prägten der Psychiater Humphrey Osmond und der Schriftsteller Aldous Huxley den Begriff Psychedelika (psychedelic = die Seele enthüllend oder entfaltend). Die Drogen versetzten die Jugendlichen in eine andere Welt. Die psychedelische Bewegung knüpfte an die in den USA schon um die Jahrhundertwende etablierten pseudoreligiösen Gemeinschaften an, die sog. sakrale Drogen für Meditationszwecke einsetzten. Die Entwicklung ging von dem Peyotl-Kult bei bestimmten Prärie-Indianern aus, die seit 1914 als Native American Church organisiert waren.
Höhepunkte der Hippiebewegung waren die Musik-Happenings, die ohne Drogen nicht vorstellbar waren. Das erste große Festival war die von Ken Kesey (1935 – 2001) organisierte „Bay Area Extravaganza“ im März 1966. Die Drogenfestivals (Gatherings of Trips) führten zu einem bisher nicht gekannten Massenrausch, wobei der „Summer of Love“ des Jahres 1967 der Höhepunkt gewesen sein dürfte. Es war ein schlimmes Jahr. Für alle hat sich ’67 viel verändert. Ich würde sagen, 1967 kam es zu einer Explosion der Drogenkultur, wenn es so etwas gibt; sie drang aus dem Untergrund an die Öffentlichkeit, und plötzlich haben alle davon gesprochen, so Keith Richards, Mitglied der Rolling Stones [16]. Bedeutendstes Happening war das Woodstock-Festival 1969, an dem u. a. Jimi Hendrix teilnahm.
Eine eigene Musikrichtung entwickelt sich unter dem Namen Acid Rock (Acid = LSD). Der Acid Rock, auch als Psychedelic Rock oder Westküsten-Rock bezeichnet, entstand zwischen 1966 und 1968 im Stadtteil Haight Ashbury von San Francisco [17]. Die Bezeichnung Psychedelic Rock tauchte erstmals 1967 auf dem Album „Surrealistic Pillows“ der Gruppe Jefferson Airplane auf.
Die Musik des Acid Rock entsprach angeblich mit ihrer zerfließenden Formlosigkeit den Visionen und Halluzinationen, wie sie unter Drogen hervorgerufen werden [18]. Die Charlatans waren 1964 die erste psychedelische Band, andere Gruppen waren Jefferson Airplane, Grateful Dead oder Quicksilver Messenger Service, in England Pink Floyd. Die überlaut verstärkte Musik und die mit dem Psychedelic Rock eingeführte Light Show sollte ähnliche bewusstseinerweiternde Erfahrungen wie ein LSD-Trip auslösen. Psychedelische Musik wurde als Tor zur letzten Weisheit aufgefasst, wobei allerdings der Joint in der Runde herumging [19].
In etlichen Fällen geht der Drogenbezug schon mehr oder weniger direkt aus dem Namen der Musikgruppe hervor. Der Name „Quicksilver Messenger Service“ bezieht sich auf ein in der Szene bekanntes Synonym für LSD (quicksilver). Eine Rockband nannte sich „The Doors“, um mit diesem Namen an das Drogenkultbuch von Aldous Huxley „The Doors of Perception“ zu erinnern. Eine deutsche, 1988 gegründete HipHop-Combo trat unter dem Namen L.S.D. (Legally Spread Dope; dope im Drogenslang Bezeichnung für Drogen aller Art) auf, ab 1993 als LSD Proton. In den 90er-Jahren existierte in Boston ein Gruppe Morphine.
Die Texte beschrieben Drogenerlebnisse mehr oder weniger verschlüsselt. This is why a „drug song“ will increasingly be seen as a guide to those resonating mystically, not just as lyrics that mention drugs (aus [20] S. 41). Für Drogen-Songs existieren heute im Internet eigene Hitlisten.
Zu den offenen Pro-Drogen-Songs gehört z.B. „I Like Marijuana“ und „The Alphabet Song“ von David Peel and the Lower East Side aus dem Jahre 1968, in dessen Text die zahlreichen Abkürzungen für die synthetischen Drogen auftauchten: A-B-C-D-E-F-G-LSD and DMT, P.O.T. and L-S-D usw. (Text aus [11]) und wiederholt smoke pot (pot = Cannabis) und Help! I’m stoned (stoned = wie aus Stein sein, subjektiv gefühlter Zustand nach Haschischkonsum). Auch „The Trip“ von Donovan gehört zu den Pro-Drogen-Songs. Bob Dylan besang 1965 einen „Mr. Tambourine Man“, worunter ein Drogenhändler zu verstehen ist, und meinte in einem anderen Song „Everybody must be stoned“ [19].
Daneben gab es aber auch Anti-Drogen-Songs wie „Cocaine Blues“ von Jonny Cash oder „Cold Turkey“ (Kalter Entzug) der Plastic Ono Band. Mit dem Verbot der Drogen kamen auch die Drogen-Songs auf Verbotslisten. Die US-Behörden wurden schon aufmerksam, wenn „high“ oder „trip“ im Text vorkamen. Die Musiker wurden beschuldigt, wesentlichen Anteil an der Popularisierung der Drogen zu haben.
Die erste Psychedelia der Beatles war der Song „Love You To“ (12.4.1966), bei dem erstmals indische Instrumente eingesetzt wurden, die für die psychedelische Musik charakteristisch wurden. Der erfolgreichste psychedelische Song der 60er-Jahre war „A Day In The Life“ (1.3.1967). Das Stück climaxt in einem grandiosen, kakophonisch-orchestralen Freak-Out und einem abschließenden 15.000 Hertz-Ton, der aber nur von Trippenden und deren Hunden gehört werden kann [21].
In „Lucy In The Sky With Diamonds“ (2. 3. 1967) der Beatles ist LSD schon im Titel enthalten. Von John Lennon, selbst LSD-erfahren, werden farbige LSD-Visionen besungen (the girls with kaleidoscope eyes) und damit die ‚Blumenkinder‘ direkt angesprochen. Lennon hat allerdings selbst bestritten, dass es sich beim Text um die Beschreibung eines LSD-Trips handelt.
Im Vorwort zu dem Heft „Die psychedelischen Beatles“ [20] schreibt Albert Hofmann, der Entdecker des LSD: Wenn ich von den Beatles höre, dann ertönt in meinem inneren Ohr sogleich die bezaubernde Melodie von „Lucy in the Sky with Diamonds“. Ich weiß nicht, ob dieser Titel wirklich eine Anspielung auf LSD ist. Sicher aber schwingt in diesem Song, so wie ich ihn erlebe, etwas von einem LSD Trip mit. Mein „Sorgenkind“ [22] hat da irgendwie mitgespielt.
Die Beatles nahmen schon in Hamburg auf der Reeperbahn Amphetamin und Marihuana ein, 1965 kam dann die Modedroge LSD hinzu. Auf Marihuana kamen die Beatles durch Bob Dylan. Ein Teil des Textes des Beatles-Songs „Tomorrow Never Knows“ stammt aus der von Timothy Leary herausgegebenen Zeitschrift Psychedelic Review (die Zeilen Turn off your mind, relax and float downstream, you’re not dying und surrender to the void; aus [23]). John Lennon hatte Timothy Learys Bearbeitung des „Tibetanischen Totenbuchs“ gelesen, bevor er „Tomorrow Never Knows“ schrieb. Lennon soll eine Weile mit LSD-Trips aufgehört haben, als die Horror-Trips häufiger wurden [20].
Paul McCartney, der sich öffentlich als Acid-Head bezeichnete, finanzierte eine teure LEGALIZE CANNABIS-Anzeige in der Times. In einem Spiegel-Interview äußerte er 1991: Seit „Rubber Soul“ 1965 ist jedes Beatles-Album unter Drogeneinfluß entstanden, vor allem Marihuana und LSD. Alles, was in den 60ern gemacht wurde, war von Drogen inspiriert – Musik, Literatur, Kino. Der Vietnamkrieg wurde auch unter Drogen geführt (aus [20]). Am Ende der Hippiezeit kamen die Beatles allerdings zu der Überzeugung, dass ihnen die Drogen nichts mehr geben können: Sie ermöglichen einem, viele Lebensoptionen zu erkennen, aber sie sind nicht die Antwort auf die wichtigen Fragen [20]. John Lennon schrieb mit „Cold Turkey“ (s.o.) einen Anti-Drogen-Song.
Auf LSD weist der Song „Alice D Millionaire“ (auch bekannt als „No Time To Cry“) der Gruppe Grateful Dead. Auch die Songs „Mother’s Little Helper“ und „Sing This All Together“ der Rolling Stones [24] aus den Jahren 1966/67 haben einen ziemlich direkten Bezug zu Drogen. In „Mother’s Little Helper“ (Mutters kleine Helferin) heißt es im ersten Vers: Die Jugend von heute ist ein Fall für sich / höre ich jede Mutter sagen / Mutter braucht was, um ihre Nerven zu beruhigen / Sie ist zwar in Wirklichkeit gar nicht krank / Aber es gibt so ne kleine gelbe Pille / Das ist Mutters kleine Helferin, bei der sucht sie Zuflucht / Die hilft ihr wieder auf die Beine / Hilft ihr über den Arbeitstag hinweg.
Die Rolling Stones verwendeten auch Texte von William Blake. Susan Gordon Lydon (geb. 1943), die selbst Haschisch, Cocain, LSD und Heroin nahm, hat in ihrer Autobiographie („Der lange Weg zurück. Stationen einer Sucht. Bericht einer Überlebenden“, 1997) authentisch über die Hippieszene der 60er-Jahre in den USA berichtet. Der Song „Sister Morphine“ der Rolling Stones stammt aus der Zeit (1969), als die Gruppe Opiate einnahm. Der Text stammt von Marianne Faithful und handelt von einem Unfallopfer, das durch Morphin Linderung erfährt.
1996 erschien vom Label „Epic Records“ ein Album von Ottmar Liebert (Santa Fe, New Mexico) mit dem Titel „Opium“. Zur Erläuterung des Titels wird mitgeteilt: To me, the title OPIUM suggests a drug that seduces you into a whole different world. And with this album we tried to create our own little world, which takes from a lot of different sources. We don’t feel like we belong to any particular culture exclusively. With OPIUM, we’re creating a little world and seducing people into it.
Der Mitte der 60er-Jahre in Jamaika aufkommende Reggae entstand als rituelle Tanzmusik der schwarzen religiösen Befreiungsbewegung des Rastafari-Kultes. Die Rastas rauchten Hanf (Ganja), um dadurch ihre Seele befreien zu können. Führende Vertreter waren Bob Marley (1945 –1981) und Peter Tosh (1944 – 1987), der letztere hat sich 1976 mit dem Song „Legalize It“ für eine Legalisierung des Haschisch eingesetzt:
Legalisiert es / Kritisiert es nicht / Legalisiert es / Und ich werde dafür werben / Einige nennen es tampee / Einige nennen es weed / Einige nennen es marijuana / Einige nennen es ganja / Sänger rauchen es / Ebenso Musiker / Legalisiert es / Das ist das Beste / Was ihr tun könnt / Ärzte rauchen es / Pflegerinnen rauchen es / Richter rauchen es / Selbst auch die Rechtsanwälte Es ist gut gegen Grippe / Es ist gut gegen Asthma / Gut gegen Tuberkulose / Sogar gegen Umara composis/ Vögel essen es / Und sie lieben es / Hühner essen es / Ziegen spielen gern damit / Legalisiert es (aus [21])
Später spielte Cocain in den Städten eine wesentliche Rolle. Die Musik wurde härter und schneller (Dancehall oder Ragga). Der als ,rude boy‘ durch Drogenexzesse, Kriminalität und Motorräder bekannte Jamaikaner Dillinger nimmt mit dem Gangsta-Rap „Cocaine in My Brain“ auf den aktuellen Top 20 der größten Drogen-Songs nach „White Rabbit“ von Jefferson Airplane immerhin Platz 2 ein.
Die exzentrische Punk-Lady Nina Hagen (geb. 1955) berichtet in ihrer Autobiographie „That’s Why The Lady Is A Punk“ (Berlin 2000), dass sie mit 19 Jahren mit LSD eine große göttliche Erfahrung gemacht hat. Von Nina Hagen stammt ein Song aus dem Jahre 1979, der Haschisch besingt. Hier der Anfang des Textes (aus [21]):
Es riecht so gut, paß auf, dass du nicht geschnappt wirst. Sie sind nämlich hinter Dir her, du alter kiffer dabei geht ihre gesellschaft am alkoholismus Zugrunde, aber dich jagen sie, DICH. haschisch, feinstes kaschmir edelster türke, afghanisches gras ein plätzchen für mein schätzchen cannabis in holland bob marley auf der venus
Es ist nicht weiter verwunderlich, dass in dieser Zeit die Zahl der Drogenabhängigen sprunghaft anstieg, besonders 1969 bis 1971. Unter den Rockmusikern, die dem Leistungsdruck und Stress in besonderem Maße ausgesetzt sind und ihm nicht mehr gewachsen waren, finden wir prominente Namen. An einem Drogentod bzw. an den direkten oder indirekten Folgen des jahrelangen Drogenmissbrauchs starben Jimi Hendrix (1970 im Alter von 27 Jahren), Jim Morrison (1971 im Alter von 27 Jahren), Janis Joplin (1943 – 1970 [25]), Andy Wood (gest. 1989) und Kurt Cobain (gest. 1994). Es gibt aber durchaus auch Beispiele dafür, dass Musiker von den Drogen auch wieder loskamen. Das gelang z. B. Joe Cocker, Ozzy Osbourne (von Black Sabbath), Joan Baez, Bob Dylan oder Konstantin Wecker.
Ende der 60er-Jahre versickerte der Acid Rock. Führende Vertreter waren tot (s. o.) oder inhaftiert (Leary, Ken Kesey). LSD verlor an Bedeutung, nicht zuletzt durch die drakonischen Maßnahmen der amerikanischen Regierung. Neue Modedroge wurde Ecstasy, an dessen Propagierung der Chemiker und Psychopharmakologe Alexei Shulgin entscheidend beteiligt war. Ähnlich wie bei LSD erhoffte man sich mit MDMA ein Hilfsmittel für die Psychoanalyse. Es gibt sogar den etwas abstrusen Versuch, die ,Schwingungsstrukturen‘ des MDMA-Moleküls in Töne umzusetzen [32]. Ecstasy spielte auch eine Rolle in der New-Age-Bewegung und bei den Anhängern des Gurus Bhagwan Shree Rajneesh.
Während die Psychedelia-Szene vor allem von Intellektuellen geprägt war, sich fernöstlichem Mystizismus aufgeschlossen zeigte und politisch engagiert war, ist die mit Ecstasy verbundene Techno-Musik im wesentlichen apolitisch. Ihre Ursprünge liegen im House und Garage, zwei Sounds, die in den Diskotheken Warehouse in Chicago und Paradise Garage in New York kreiert wurden. Daraus wurde dann in Chicago der Acid House – eine von Discjockeys zusammengestellte rhythmisch übersteigerte Dance-Mix-Version [26, 27]. Auslöser war 1986 die LP „Acid Trax“ der Gruppe „Phuture“. Acid verweist darauf, dass sich der Effekt noch weiter durch Drogen (LSD, Ecstasy) verstärken lässt.
Der Übergang zum Techno ist fließend. Techno [28] ist durch elektronische Musik mit monotonen Rhythmen und durchdringenden Bässen charakterisiert. Zum Wochenende geht es dann zu einem Rave (Fest) mit stundenlangem ekstatischem Tanz bei überlauter Musik, Nächte hindurch. Beim Rave liefern Designer-Drogen die notwendige Ausdauer und Energie und erhöhen das Selbstwertgefühl der Jugendlichen. Zu den Groß-Raves gehört die Love Parade in Berlin.
In „ecstasy-kultur & acid house“ schreiben Collins und Godfrey [26] über die britische Jugendkultur Ende der 90er-Jahre: Die Ecstasy-Kultur bietet das beste Entertainment, das momentan auf dem Markt zu haben ist, eine Kombination von Technologien – musikalisch, chemisch und computertechnisch –, die für ein verändertes Bewusstsein sorgen; Erfahrungen, welche die Art verändert haben, wie wir denken, wie wir fühlen, wie wir uns verhalten, wie wir leben.
Ohne Ecstasy wäre die überlaute Musik wahrscheinlich gar nicht zu ertragen. Nachgewiesen ist, dass Ecstasy die Filterleistungen des Gehirns gegenüber Umweltreizen verbessert. Daneben werden aber auch verstärkt Amphetamine (Speed), Psilocybin-produzierende Pilze (Pilzli), Poppers (Amylnitrit) sowie Lachgas (mit Druckgas gefüllte Ballons) als Party-Drogen verwendet. Letzteres betrifft insbesondere die Goa-Partys, eine nach einem indischen Bundesstaat genannte Unterart des Techno. Um die durch längeren Gebrauch nachlassende Ecstasy-Wirkung wieder zu erhöhen, wird der Kick durch Cocain oder LSD verstärkt.
Hier einige Passagen aus einer literarischen Gestaltung der Raver-Szene, dem Buch „Rave“ von Rainald Goetz (geb. 1954) – Passagen, die das Verhältnis zu Drogen in der Szene deutlich machen und auch unkommentiert für sich sprechen:
Es war also die soundsovielte Nacht nach der Parade, und beim Tanzen merkte ich, dass ich nicht mehr unterscheiden konnte, welche Wirkung welcher Droge jetzt grade wirkte, und war mit diesem Zustand völlig einverstanden. Die Musik nahm mich auf, ich freute mich, den Dj Goodgroove an den Maschinen zu sehen, und überließ mich den vielfältigen Sozialevents auf der Tanzfläche. Plötzlich kamen mir einige Gesichter um mich herum schon ziemlich kaputt und abgefuckt vor, und ich dachte sofort: harte Suppe, so kaputt schaut man jetzt also schon aus. Und kramte in meinen Taschen, nahm sofort etwas ein, gegen übertrieben genaue Beobachtungen oder gar irgendwelche lächerliche Gedanken. ([29] S. 180)
Dann reicht es ihnen, es langweilt sie. Das ganze Nachtleben, die Wiederholungen, die stumpfen Typen. Die schlechten Drogen, der ewige Hangover, und der immergleiche hohle Text, der überall von allen aufgetextet wird. Der immergleiche blöde Film, der läuft. Es langweilt. Das langweilt doch nur noch, alles. ([29] S. 150)
Und ziemlich am Ende des Buches ([29] S. 245) eine Art Zusammenfassung: ERSCHRECKEND im Zusammenhang mit Drogen ist, ehrlich gesagt, eigentlich alles. Jedenfalls im nüchternen Zustand. Und fast gar nichts, wenn man selbst Drogen genommen hat. Das ist so schwer zusammen zu halten, in einem Leben, in einem Denken.